Die Zukunft des Hauses

Wir trafen Kris McGlinn, Wissenschaftler und Spezialist im Bereich des Building Information Modeling zu einem Gespräch in seinem Dubliner Labor.

Dr. Kris McGlinn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Adapt Center Trinity College Dublin und forscht zum intelligenten Gebäudemanagement. Wir trafen ihn vor Ort in seinem Labor in Irland, um mit ihm über das Bauen in der Zukunft zu sprechen und erfuhren, wo Building Information Modeling schon heute erfolgreich implementiert wird und welche Szenarien in der gebauten Praxis und aus der Perspektive der Wissenschaft derzeit von Interesse sind.

Wo lässt sich Building Information Modeling überall einsetzen?
Es geht darum, während der Lebenszeit eines Gebäudes Informationen auszutauschen. Jetzt gibt es natürlich verschiedene Möglichkeiten die Lebenszeit zu definieren. Zuerst ist da die Entwurfsphase, dann folgt die Konstruktion des Gebäudes und schließlich die Inbetriebnahme. In dieser Phase testet man vielleicht an der ein oder anderen Stelle noch, ob alles nach Plan läuft. Dann folgt die operative Zeit, die einen eigenen Zyklus bildet. Vielleicht ändert sich über die Jahre die Art der Nutzung oder das Equipment. Das letzte Kapitel im Leben eines Gebäudes ist dann der Abriss. Hier kann das Recycling der Baumaterialien Wertstoffe für Neubauten liefern, so dass auch nachhaltiger gebaut werden kann.

Es wird also erst einmal vernetzt geplant und dann vernetzt verwaltet?
Es gibt mehrere relevante Szenarien für BIM: Während des Entwurfs beispielsweise entwickeln unterschiedliche Interessengruppen unterschiedliche Modelle. Der Architekt kann ein relativ einfaches Oberflächenmodell des Gebäudes planen, der Statiker muss ein solides Modell entwickeln, das die Strukturelemente beschreibt, ein Elektrotechniker muss die Verkabelung planen und ein Energieplaner muss wissen, wie Räume interagieren oder die Wärmedurchgangskoeffizienten der Schnittstellen kennen. Alle diese Interessengruppen haben unterschiedliche Anforderungen an die Modellierung, und Änderungen durch einen Beteiligten können Auswirkungen auf das Modelle eines anderen haben. All das effizient zu verwalten, ist eine echte Herausforderung.

Man investiert also erst viel Zeit – und kann ihr Vielfaches später sparen?
Ja, das ist die Idee. Einige Studien zeigen: Wenn frühzeitig in gute Modelle investiert wird, dann lässt scih später Zeit und Mühe sparen. Jeder hat Zugriff zu allen Informationen, die er braucht – und wann immer er sie braucht. In Anlehnung an die vorherigen Beispiele gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, die Geometrie eines Gebäudes zu modellieren. Ein Oberflächenmodell besteht im Wesentlichen aus Polygonen. Es kann aus Punktwolken abgeleitet oder mit CAD-Werkzeugen erstellt werden. Ein Volumenmodell beschreibt andererseits Eigenschaften von Gebäudeeinheiten, wie ihre Breite oder ihre Materialien. Parametrische Modelle beschreiben die Beziehung zwischen Instanzen. Wenn beispielsweise jemand die Größe eines Fensters ändert, werden die Wände automatisch angepasst. Alle diese Modelle richten sich an unterschiedliche Anwendungsfälle. Durch die Wiederverwendung eines einmaligen Aufwands können Bauprozesse möglicherweise effizienter gestaltet werden.

Welche Fragen stellt sich die Forschung?
In diesem Bereich gibt es viele interessante Fragen. Die AEC-Branche fängt eigentlich gerade erst an, die Möglichkeiten der Technologie zu nutzen. Eine Frage nimmt Bezug auf die Organisation von Änderungen und das Konfliktmanagement, Standardisierung, Dialogfähigkeit oder Datenschutzprobleme, um nur einige zu nennen. Eine offene Frage ist beispielsweise, ob es einen Bezugsstandard geben sollte - und wie viel dieser Standard in Bezug auf Details und Umfang abdeckt. Beim Web-of-Data hat man einen weniger zentralisierten Ansatz. Hier arbeitet man mit verknüpften Daten, sodass BIM Teil einer umfassenden Datenmenge werden kann. Diese Technologien bringen allerdings ihre eigenen Herausforderungen mit.

Was unterscheidet ein klassisches CAD-Modell von einem BIM-fähigen Modell?
Die ursprünglichen CAD-Modelle für Gebäude basierten auf einfachen Linien und Kurven, die 2D gezeichnet wurden und durch individuelle Legenden ergänzt wurden. CAD-Werkzeuge haben einen langen Weg hinter sich und unterstützen jetzt komplexe parametrische 3D-Modelle. Um dieser Komplexität zu begegnen, wurde das Konzept des Building Information Modeling (BIM) zur Datenverwaltung erstellt, die über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes (BLC) generiert wurden. Es beschreibt ein integriertes Datenmodell, das sich typischerweise auf die funktionalen und physikalischen Eigenschaften eines Gebäudes bezieht. Dies umfasst in erster Linie ein 3D-Modell des architektonischen Entwurfs, in dem die Positionen und Abmessungen der Wände, Räume, Fenster, Türen oder Dächer eines Gebäudes detailliert aufgeführt sind. BIM erleichtert auch die Einbeziehung nicht physischer Gebäudeeigenschaften wie Gebäudekosten, Zugänglichkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit. BIM ist daher in der Lage, alle Aspekte eines Gebäudes zu erfassen, die im gesamten Building Life Cycle vorhanden sind und die Beteiligten in allen Phasen zu unterstützen. Es ist aber nicht nur eine Software, sondern auch ein Prozess, der den Workflow erleichtert und die Projektabwicklungsprozess stützt.

Ist das Gebäude der Zukunft smart und autonom?
In der Praxis haben viele Menschen Vorbehalte gegenüber der Idee, die Gebäudeverwaltung in die Hände einer Maschine zu legen. Realität ist, dass bereits jede Menge Tracking stattfindet. Wer Zugang zu diesen Informationen erhält und wofür sie verwendet werden, ist eine der großen Fragen der Neuzeit. Zu ihrer Antwort gehören aber auch verlockende Potentiale: Intelligenten Gebäude, die in Energiemikronetze integriert sind, die Speicherung und Nutzung von Energie, die durch umweltfreundliche Technologien auf effizienteste Weise bereitgestellt wird, bis hin zur Automatisierung der Hausarbeit. Im Idealfall sorgen diese Fortschritte für eine sauberere Welt und unterstützen die Menschen, sich Freiräume zu schaffen.

Zu den Forschungsschwerpunkten von Dr Kris McGlinn gehört das Thema der Dateninteroperabilität, bei der es um die großen Datenmengen geht, die durch verschiedene Quellen während des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden generiert werden. Dabei setzte der Wissenschaftler sich mit Erhebung von Gebäudedaten durch die Anwendung von Web-of-Data-Technologien auseinander, wie der intelligenten Überwachung und Steuerung der gebauten Umgebung durch KI. Kris McGlinn ist Mitbegründer und Vorsitzender der Community-Gruppe Linked Building und einer der Co-Autoren eines Kapitels des Buches „Building Information Modeling, Technology Foundations and Industry Practice“, erschienen im Springer Verlag.

Text: Tanja Pabelick