Komm unter meine Decke

Dank einer Crowd-Simulation ist die Münchner Bar Trisoux eine moderne Höhle mit exzellenten akustischen Eigenschaften.

Seit Herbst 2017 hat die Münchner Gastroszene ein neues Design-“High-Light“: Eine einzigartige Deckeninstallation verleiht der „Bar Trisoux“ eine unverwechselbare Atmosphäre. Die parametrisch errechnet Holzkonstruktion entwarf Architekt Martino Hutz, die Räume analysierte er zuvor per Crowd-Simulation.

Im Herzen des jungen Münchner Szeneviertels Glockenbach liegt die 160 m² große „Bar Trisoux“. Sie verfügt über Gastronomieflächen in Erd- und Untergeschoss und verteilt sich über zwei Stockwerke eines dreistöckigen Wohnhauses. Die Bar zeichnet sich durch kleine, verwinkelte Räumlichkeiten aus, welche kernsaniert werden mussten. Ebenerdig findet sich die Bar mit Tresen und Lounge, darunter bietet das Kellergeschoss zusätzliche Räume mit Platz für Events. „Wegen der verschachtelten Räume entschied ich mich, das gestalterische Augenmerk auf die Decke zu legen“, sagt Architekt Martino Hutz, Cousin des Betreibers. „Es ging darum, eine einzigartige Erfahrung für die Gäste zu schaffen“.

Per Crowd-Simulation ermittelte Hutz jene Zonen, an denen sich Gäste statistisch betrachtet am meisten aufhalten: „Crowd Simulation versucht, Menschenströme zu analysieren und visualisieren, um daraus Entwurfsparameter abzuleiten“. Zur Gestaltung der Decke setzte Hutz parametrisches Entwerfen ein. Das bedeutet: „Sämtliche Entwurfsparameter basieren nicht auf gezeichneten, festen Strichen sondern sind bis zum Ende des Entwurfs flexibel. Meist wird die Software „Grasshopper“, eine visuelle Programmiersprache, dafür verwendet. Aber auch Dynamo, Phython, C++ uvm. Kommen – abhängig von der Anwendung und Komplexität – zum Einsatz.“Dazu kommt BIM (Building Information Modeling) im frühen Entwurfsprozess zum Einsatz, seine Stärke hat es jedoch in den späteren Bauphasen: „Hier werden neben dem 3D Modell weitere Informationen, wie z.B. Mengenangaben oder Kosten in das Millimeter genaue Modell integriert. Auch wird das 3D Modell mit den Fachplanern geteilt und so können im Idealfall alle Beteiligten wie z.B. Statiker, Haustechniker, etc. parallel an dem Entwurf arbeiten. Bei komplexen Entwürfen verschmilzt die parametrische mit der BIM-Welt. Hier wird es besonders spannend, da so aus abstrakten Ideen gebaute Realität wird.“

Für die Bar Trisoux entwarf Hutz also eine aufwändige Deckeninstallation in Form einer Holzkonstruktion. „Hier hängen 6400 einzelne Fichtenholzstäbe in unterschiedlichen Längen von der Decke und prägen so Interieur und Charakter der Bar, ohne die ohnehin knappe Grundfläche zu verbauen.“ Aneinander gesetzt, ergäben die 4,5 mal 4,5 Zentimeter dicken Fichtenholzstäbe eine stolze Strecke von drei Kilometern – oder ein Volumen von 7,4 Kubikmetern. Lichtpunkte an der unteren Spitze der Stäbe verbinden sich dabei zu einem raffinierten Leuchtkonzept. Durch die harmonische Variation der Höhen mittels unterschiedlicher Stablängen ergeben sich so diverse „Wohnqualitäten“: Unter hohen Deckenabschnitten können sich Gruppen sammeln, während niedrigere Abschnitte intimere Nischen für ein ruhiges Gespräch schaffen. So entstehen ganz unterschiedliche Raumerfahrungen, ähnlich einer unregelmäßig geformten natürlichen Höhle.

„Die Planung der doppelt gekrümmten Fläche, aufgelöst in einzelne Elemente, war nur mit Hilfe der Software Grasshopper möglich“, sagt Hutz. „Die Besucher sollten, intuitiv geleitet von dem Höhenspiel der Decke, verschiedene Aufenthaltsqualitäten erleben und individuell entscheiden dürfen, ob sie lieber in einer intimen Nische oder auf der sogenannten Großen Bühne ihr Getränk genießen.“ Holz, als umweltfreundliches und CO2-neutrales Baumaterial, schafft zudem im Gastraum ein angenehmes Raumklima und unterstützt die Raumakustik. Moos an den Wänden sorgt zusätzlich für eine entspannte, positive Atmosphäre.

Schon in seinem Masterstudium auf der Universität für Angewandte Kunst in Wien und im Studio Zaha Hadid forschte Hutz zum Thema "Crowdsimulation" und eignete sich das parametrische Entwerfen an. Zuvor hatte er an der HafenCity Universität Hamburg und an der École Nationale Supérieure Val de Seine in Paris studiert. Zwischen 2016 und 2019 arbeitete er für die Bjarke Ingels Group (BIG), zuletzt als Projektleiter und bis heute in beratender Funktion. Sein Konzept der „Deckenlandschaft“ überzeugt: Die „Trisoux Bar“ wurde für den German Design Award 2019 nominiert und mit einer Special Mention ausgezeichnet.

Bar: www.trisoux.com
Innenarchitektur: www.martinohutz.de
Fotograf: Maria Pasvantova, modern architecture photography munich, www.map-muc.de

Text: Franziska Horn