Eine Brille als Werkzeug

Ein Start Up namens Fologram revolutioniert das Handwerk auf der Baustelle.

In unserem Alltag versammeln sich mittlerweile einige digitale Helfer: Von Siri und Alexa bis hin zu Navigationssystemen und smarten Kühlschränken, die eigenständig Milch bestellen, wenn der letzte Karton aufgebraucht ist. Sie alle haben das Ziel, dem Menschen das Leben zu vereinfachen. Mittlerweile finden Virtual- und Augmented Reality-Technologien neben dem Gaming-Bereich immer breitere Anwendungsfelder. Wie gut holographische Helfer und das Handwerk zusammenpassen, zeigt das in Tasmanien gegründete Start-Up Fologram.

Bauen mit Brille? Wo andere lieber Kontaktlinsen einsetzen, um ungehindert arbeiten zu können, ermöglicht eine smarte Technologie komplexe Baulösungen. Denn mit der von Fologram entwickelten App All Bricks für das Augmented Reality Headset Hololens von Microsoft wird der Bau ungewöhnlich geformter Mauerwerkswände so simpel und schnell wie das Errichten einfacher Flächen. Traditionell setzen Handwerker analoge Hilfsmittel wie Richtschnur und Lot ein, platzieren Mauerstein für Mauerstein und errichten so eine korrekt im rechten Winkel zum Boden stehende Ebene. Um komplexe organische Geometrien aus einzelnen Steinen herzustellen, müssen diese entsprechend zueinander rotiert und sogar versetzt werden. Dabei nach Gefühl oder Konstruktionsplan die richtige Position zu finden, ist eine besondere Herausforderung und ein Risiko. Kleinste Ungenauigkeiten und Fehler sorgen für ein nicht perfektes Ergebnis.

Das Digitale im Realen
Eine Augmented Reality-Anwendung, die gemeinsam mit dem namensgebenden Ziegelhersteller All Bricks entwickelt wurde, soll Abhilfe schaffen. Zunächst muss ein digitales Modell von der gewünschten Geometrie erstellt werden. In die App geladen erkennt die Augmented Reality-Brille anhand von zuvor bestimmten Orientierungspunkten die korrekte Position der Mauer im realen Raum. Beim Blick durch die Brille wird an diese Stelle das digitale Abbild der Wand projiziert. Schicht für Schicht werden die Konturen der Mauerwerkssteine eingeblendet, wobei sich der Handwerker frei im Raum bewegen und den Mauerbau von allen Seiten betrachten kann – die virtuellen Schablonen bleiben stets an der richtigen Stelle. Jeder Stein kann präzise platziert, versetzt und verdreht werden, bis er in seiner exakten Position liegt. Außerdem ermöglicht die Brille den Maurern während der Arbeit miteinander zu kommunizieren – ohne, dass dafür jemand seinen Arbeitsplatz verlassen müsste. Fologram sorgt aber nicht nur für ein akkurates Ergebnis. Laut den drei Gründern und Entwicklern Cameron Newnham, Nick van den Berg und Gwyllim Jahn kann eine komplexe Mauerkonstruktion in nur einem Zehntel der sonst üblichen Zeit aufgebaut werden. Für Architekten verändert sich dadurch die Kostenkalkulation bei komplizierten Entwürfen erheblich.

Fotograf: Peter Bennnett

Vom Labor auf die Baustelle

Entstanden ist das Projekt rund um Fologram im universitären Umfeld. Die Mitbegründer des innovativen und revolutionären Start Ups arbeiteten an den Melbourner Universitäten RMIT und Monash in akademischen Positionen, wo sie in den Feldern Mixed Reality, autonome Roboterfabrikation, Verhaltensdesignsysteme und kreative Anwendungen des maschinellen Lernens forschten. Eines ihrer neuesten Projekte zeigt, wie weit die Technologie in der Anwendung reicht und wieviele handwerkliche Bereiche neben dem Mauerbau in Zukunft ebenfalls profitieren können. Für die Talinn Biennale hat Fologram gemeinsam mit Soomeen Hahm Design, Igor Pantic und Format Engineers einen Pavillon mit dem Titel Steampunk konstruiert. Hartholz-Balken und Edelstahl-Stangen in Standardlängen wurden zu komplexen Schwingen verbogen und verdreht. Sowohl bei der Herstellung, bei der die Holzmodule unter Dampfeinwirkung in Form gebogen wurden, als auch bei der individuellen Montage vor Ort wurde Fologram als interaktive Prozess- und Bauanleitung eingesetzt.

Zwischen Handwerk und Robotik
Fologram füllt damit eine relevante Nische. Komplexe und individuelle Bauaufgaben unter nicht ausreichend berechneten Voraussetzungen stellen für Roboter ein nicht beherrschbare Herausforderung dar. Handwerker hingegen können allzu komplexe Entwürfe mit traditionellen Methoden in Bezug auf Zeit und Kosten nicht effizient genug realisieren. Fologram ist für solche Situationen ein Werkzeug mit Potential. Denn die individuellen Umstände, die ein Handwerker vor Ort vorfindet, können direkt in das digitale Modell eingespeist werden und die Projektion in die reale Umgebung unterstützt eine vielfach schnellere Umsetzung.

Text: Sulafa Isa und Tanja Pabelick