Ordentlich unter Spannung
Schweizerisch im besten Sinne: Doppelhaus aus Sichtbeton vom Genfer Büro Clavien Rossier.
Die Klischees gleich vorneweg: Das Wohnhaus von Clavien Rossier am Stadtrand von Genf ist im besten Sinne schweizerisch – präzise, ordentlich, leise. Wie ein Schweizer Uhrwerk eben. Der Pool im Garten allerdings wirkt neben dem klar geschnittenen Sichtbeton-Volumen fast frivol – hätte er nicht so ungewöhnliche Maße.
Das Haus vom Genfer Architekturbüro Clavien Rossier ist ein Grenzgänger. Das Grundstück liegt am äußeren Rand einer Genfer Vorortsiedlung und öffnet sich an zwei Seiten zu Feld und Wald, Ausblick auf die Berge inklusive. Doch auch die Struktur des Gebäudes selbst basiert auf einer strikten Trennung: Unter dem asymmetrischen Beton-Satteldach befinden sich nämlich zwei eigenständige Wohneinheiten. Was auf den ersten Blick wie ein Einfamilien-Domizil aussehen mag, ist in Wirklichkeit ein Doppelhaus mit zwei unterschiedlich großen Hälften, die sich den Rücken zuwenden. Die eine Wohnung ist 170, die andere 128 Quadratmeter groß. Beide erstrecken sich von Erd- und Obergeschoss bis zum Dachgeschoss über drei Etagen. Doch die innere Struktur haben die Architekten geschickt kaschiert – die unregelmäßigen, frei komponierten Fassaden mit ihren verschieden großen Öffnungen lassen kaum Rückschlüsse auf die Disposition der Innenräume zu.
Lebendige Fassade
Um die monolithische Erscheinung des Doppelhauses zu erzielen, haben Clavien Rossier einigen Planungsaufwand betrieben. Außenwände und Decken sind aus eingefärbtem Ortbeton und zusätzlich von innen gedämmt. Das Dach wiederum besteht aus in den Wänden verankerten, dünnen Betonfertigteilen, die über einer hölzernen Unterkonstruktion schweben. Das Regenwasser läuft durch eine schmale Fuge zwischen Dach und Wand in einer im Inneren versteckten Rinne ab. Fenster, Loggien und Türen sind zum Teil tief in Wand und Dach eingeschnitten und ihre Laibungen mit Lärchenholz verkleidet; zum Teil liegen sie bündig in der Fläche. Das Wechselspiel der Öffnungen zwischen flach und tief, groß und klein sowie quadratisch und rechteckig lässt das Haus trotz aller Präzision lebendig und spannungsvoll wirken.
Privatsphäre mit Kniff
Auch der Grundriss steht unter Spannung: Im Grunde ein flaches Rechteck, sind die langen Seiten jedoch so ausgestellt, dass sich die beiden Wohneinheiten mit ihren Öffnungen in unterschiedliche Richtungen orientieren. Mit diesem Kniff schaffen die Architekten mehr Privatsphäre für die Bewohner und mehr Tiefe im Baukörper. Nur die beiden Haustüren liegen brav nebeneinander auf der der Siedlung zugewandten Seite. Im Erdgeschoss empfangen beide Wohnungen mit einem einzigen, großen Raum. Lediglich eingestellte Treppen beziehungsweise eine Küchenzeile gliedern die Fläche in unterschiedliche Zonen wie Eingang, Kochen oder Wohnen. Im Obergeschoss dagegen dominieren auf beiden Seiten der Trennwand abgeschlossene Räume. Unter den Schrägen des Dachs gibt es jeweils noch ein weiteres Zimmer mit Loggia. Die vielfältigen Öffnungen beleben nicht nur den Baukörper, auch im Inneren werten sie mit Tageslicht und Ausblick die relativ kleinen Räume auf.
Sportliche Ansage
Aber wie passt nun ein Schwimmbad zum Klischee des aufgeräumten Schweizerhauses? Anwesen mit Pool ordnet man eher in die architektonische Luxusklasse ein – eine Protzvilla ist das Projekt von Clavien Rossier aber beim besten Willen nicht. Das Bad im Garten ist allerdings auch kein nierenförmiges Erwachsenenplanschbecken zum Abhängen beim Sundowner. Mit seiner Länge von 17,4 Metern und einer Breite zwischen 1,7 und 3,3 Metern macht der Pool eine ziemlich sportliche Ansage: Und strebsam Bahnen ziehen für die Fitness, das passt doch wieder ganz gut ins Schweizer Klischee.
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FOTOGRAFIE Roger Frei
Roger Frei