Auf den ersten Blick sind Oberflächen Grenzen. Doch schon die Naturphilosophen der Antike hatten ein Bewusstsein für die Hintergründigkeit dieser Wahrnehmung. Materie, so spekulierten sie, sei keineswegs ein Kontinuum, sondern bestehe aus kleinen, letzten Bausteinen, die átomos, also unteilbar sind.
Die Ausstellung präsentiert Arbeiten von Heike Klussmann / Künstlerin, Thorsten Klooster / Architekt, Susanna Hertrich / Designerin und Künstlerin und Clemens Winkler / Designer. In Projekten und Experimenten zeigen sie Wechselwirkungen theoretischer wie materieller Manifestationen von Membranen, Oberflächen und Grenzen und deren Vermittlungsbewegungen zwischen Alltagsgegenstand, Technologie und ästhetischer Produktion. Heterogene wissenschaftliche und künstlerische Praktiken und Konzepte treffen aufeinander, um über ihre Differenzen neue Modi des Verstehens und sinnlichen Erfahrens zu schaffen.
Die Konzepte von Membran, Oberfläche und Grenze sind in der technischen Forschung, in den Geisteswissenschaften wie in den Künsten gleichermaßen bedeutend und erschließen wichtige, jedoch disparate Inhalte. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit sind sie besonders geeignet, ein wichtiges Spektrum aktueller wie historischer Entwicklungen verschiedener Disziplinen auf eine neuartige Weise zusammenzuführen. Ob sicht- und nutzbar im Alltagsgebrauch oder dem Blick entzogen wie in den Bereichen der nanotechnologischen Materialforschung, auf der Ebene biotechnologischer und chemischer Prozesse, bedingen Grenzen lebensweltliche Realität. Sie definieren und katalysieren die Prozesse des Lebens, etwa als zelluläre Membranen, in Form der Haut oder des Immunsystems oder als ökologischer Lebensraum. Phänomene an materiellen Grenzen spielen eine Rolle in den angewandten Naturwissenschaften, etwa in der chemischen Verfahrenstechnik (Katalyse, Filtration, Elektrophorese), und stellen so auch eine Verbindung zur Produktion von Kunst dar. Diese zeigt sich in den materialen Erscheinungsformen der Oberfläche, in ihren medialen Repräsentationen in Fotografie, Film und digitalen Bildmedien, aber auch in Indifferenzerfahrungen wie Duchamps Konzept des Inframince, das die beinahe nicht wahrnehmbare Trennung (oder „simultane Verzögerung“) zwischen zwei angrenzenden Ereignissen oder Zuständen beschreibt.
Die Ausstellung wurde vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der Universität Kassel gemeinsam mit den Künstlern konzipiert und bildet den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe mit dem Aedes Network Campus Berlin. Intendiert wird ein differenzierter Austausch von Wissenschaft und Kunst. Oberfläche wird hier erstmalig zu einem interdisziplinären Verhandlungsraum werden. Die Ausstellungsbeiträge korrespondieren mit den wissenschaftlichen Positionen des vom Max-Planck-Institut veranstalteten gleichnamigen Workshops (www.mpiwg-berlin.mpg.de/workshops/en/Membranes-Surfaces-Boundaries.html), der zeitgleich zur Eröffnung in Dahlem stattfindet.
Sponsoren
Schering Stiftung, Universität Kassel / Architektur, Stadtplanung, Landschaftsplanung, Hering Hochbauen