Be Open - Made in… India
Die Non-Profit-Organisation für Nachwuchsdesigner untersucht Herstellungsbedingungen von Designprodukten.
Ein neuer Player hat das Designfeld betreten: Be Open, eine Non-Profit-Organisation für Nachwuchsdesigner. Der Auftakt Made in… India zeigt die nächste Generation der Kreativen des Subkontinents und legt nach mit einem Designpreis in Mailand.
Woher und wohin
Made in India - das sind Massenprodukte aus Sweatshops, die als Teppiche und Tassen gern in trashigen Interiorshops landen. Aber es geht auch anders. Dass der Subkontinent auf eine Jahrtausende alte Designtradition zurückgreifen kann, ist ein Allgemeinplatz, belebt nur durch die Erfahrung vor Ort in Maharadscha-Palästen von Agra bis Jaipur. Verspiegelte Kuppelgewölbe aus dem 16. Jahrhundert, Intarsienarbeiten aus Halbedelstein und Silberbeschläge an Türen verkünden Handwerkskunst. Wie „entstauben“ zeitgenössische Designer Klassiker? Wie ist eine regionale Formensprache in einem globalen Kontext zu verorten, ohne in Ethno-Kitsch zu verfallen? Fragen, die sich bei der Suche nach einer indischen Designidentität jenseits des erwähnten Trash stellen. Und, nicht zu vernachlässigen: Die Frage nach Arbeitsbedingungen.
Status Quo
Im Indira Ghandi Center for the Arts (Neu Delhi) wird der Versuch unternommen, einen Status Quo zu definieren, einen Status Quo mit Aussicht. 23 Designer aus 18 Regionen Indiens präsentieren 350 Produkte. Der Doyen, Sunil Sethi, erregte sich über die Abwesenheit von Aufmerksamkeit gegenüber profundem, zeitgenössischem Design aus seinem Land: „Für Manolo Blahnik haben wir auf Eigeninitiative einen Schuhspanner entworfen und nach Auftragserteilung produziert. Das Echo – auch in der Presse – war enorm. Mit keinem Wort wurde erwähnt, dass es ein Produkt Made in India war.“ Sunil Sethi, der außer Chef seiner eigenen Firma auch Präsident des Fashion Design Council of India ist, wurde von Be Open als Experte engagiert. Be Open, die Initiative von Elena Baturina, existiert seit zwei Jahren, und hat sich bis dato bemerkbar gemacht durch eine Installation auf dem Trafalgar Square, eine Pop-up Akademie auf der Design Miami, eine Kooperation mit Tom Dixon, bei der auf dem London Design Festival Kreative in ihren Startlöchern zeigen konnten, was und wie sie arbeiten. Ein wenig Kraut und Rüben ist das, womit die Non-Profit-Organisation da antritt, aber wie gesagt: Seit gerade einmal zwei Jahren ist die international agierende Stiftung am Start. Und hat mit Made in… India – Samskara einen Weg beschritten, der Applaus verdient. „Hier ist der Auftakt, es wird weiter gehen in die four corners of the world“, sagt Elena Baturina und meint damit, dass dem Nachwuchs auf den drei weiteren Kontinenten in den nächsten Jahren ebenfalls ein Made in… ins Haus stehen wird.
Zukunft gestaltet
Angelika Taschen, die nach Indien als Keynotespeakerin eingeladen ist, bringt die Vision der russischen Mäzenin auf den Punkt: „Lokal agieren, global denken.“ Sie, eine Dame, die über den Tellerrand schaut, hat durch ihre Interiorbücher, die sich in Millionenauflage verkaufen, das Know-how für Markenbildung. Genau aus diesem Grund der kritische Blick: „Mich begeistert Substantielles“, sagt sie beim Studiobesuch von Klove. Das Designteam stellt nicht nur aus, es öffnet geladenen Experten das Atelier. Gautam Seth und Prateek Jain sind Klove, haben seit 2005 ein Portfolio aus über 40 Objekten aufgebaut und tarieren die Ästhetik Indiens versus Mid Century Nordisch Design aus. Vieles ist gelungen, einiges schwierig. Ein stilisierter Pfau als Wandleuchte mag in Indien begeistern, in Europa riecht das etwas nach Versace-Pomp. Genau das ist die Krux. Auch bei dem Team von Sahil & Sarthak mit den Upscaling-Beistelltischen (Holzabfall als Beine, Tischplatte emailliert mit Kupferrand) versus der Drop Lamp, welche schon zig Mal in besseren Versionen existiert. Sahil & Sarthak, 2009 gegründet, haben allerdings einen Ansatz gefunden, der begeistert: die Katran Collection aus Stühlen, Beistelltischen und Hockern – gefertigt aus dem Abfall der Webereien Nordindiens. Kein Stück wie das andere, keine Schadstoffemission und lokale Handwerker als Produzenten. „Wir retten mit der Linie sicher nicht die Welt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Designer Sahil Bagga, der mit seinem Partner in Mailand am Politecnico studierte und bei B&B Italia als Designer arbeitete.
Stein für Stein
Anschaulich wird das Engagement der Initiative im Bereich Nachhaltigkeit in einem Video. Der Granit, der bei der Innengestaltung des Indira Ghandi Pavillons von Architektin Anupama Kundoo verwendet wurde, ist ein regionales Produkt. Und im Filmchen wird den Steinmetzen Tribut gezollt. Die Namenlosen bekommen ein Gesicht. Sustainability – nicht gähnen bitte – ist eben ein Faktor für gutes Design, gute Architektur 2014. Handwerkskunst – wie zu sehen – ebenso. Die Kraftanstrengungen eines Nachwuchsateliers sind in der Summe also nicht zu unterschätzen: technisches Know-how, Marketing und Einzigartigkeit – ein Pfund.
Form follows…
In Mailand wird durchhalten belohnt. Der Design-Preis von Be Open (dotiert mit 24.000 Euro) verschafft einem Büro Luft um zu produzieren, ohne über Miete und Lebenshaltungskosten nachdenken zu müssen. Dass kein Inder dabei ist und auch kein Gast aus dem Made-in-India-Potpourri eingeladen wurde, zeigt ein bisschen den Schlingerkurs der Initiative. Der Be Open - Young Talent Award, am 7. April – zu Beginn des Salone del Mobile in Mailand – verliehen, präsentiert einen Shortlist-Mix, der Insider nicht total überrascht: Elie Ahovi (Frankreich), Anton Alvarez (Chile), Benjamin Graindorge (Frankreich), Philippe Malouin (Kanada), Kwangho Lee (Südkorea), Humans since 1982 (Schweden), Studio mischer’traxler (Österreich), Daniel Rybakken (Norwegen), Dennis Parren (Niederlande) und Yuri Suzuki (Japan). Das letztendlich mischer'traxler den Preis bekam, ist für das Büro eine Freude, aber keine totale Überraschung und Young Talent – mit allem Respekt gegenüber den Designern – auch ein wenig gestrunzt. Seit fünf Jahren gibt es das österreichische Büro, ihre Arbeiten sind in der Sammlung des Art Institute Chicago und dem MAK Vienna. Preise für die beiden Designer gab es auch schon, so 2011 der W-Hotels Designer of the Future Award. Deutlich erfreulicher ist der Effekt, den Made in… India für die gezeigten Talente hat. Moroso wurde über die Be-Open-Ausstellung auf eines der indischen Büros aufmerksam. Ein Vertrag liegt vor, aber so lange die Tinte noch nicht getrocknet ist, wird darüber geschwiegen, um wen es sich handelt.
Ein Anfang ist gemacht. Nun gilt es abzuwarten, wohin die Reise geht. Werden bei Be Open die losen Enden verbunden und wird der Anspruch, den Nachwuchs zu fördern, wirklich umgesetzt, ist es ein Initiative, die deutlich Aufmerksamkeit verdient.
FOTOGRAFIE Be Open
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