Ballett der Boxen
Umbau inklusive: Das Pariser Büro einer Grafikagentur setzt auf Stapelware.
Paris ist bekannt dafür, dass dort zwei Schafzimmer, Küche und Bad auf zwanzig Quadratmetern Platz finden. Und der Beleg dafür, dass Raumnot erfinderisch macht. Ein Büro im 18. Arrondissement zeigt, wie auch auf wenig Fläche viele Funktionsbereiche untergebracht werden können. Die Indoor-Landschaft aus modularen Kuben bildet Tische, Regale und sogar Wände.
Der Arbeitsraum der Grafiker von Studio Hypernuit liegt im Erdgeschoss eines Wohnhauses und öffnet sich mit einem bodentiefen Panoramafenster zu dessen Stirnseite. Draußen läuft die schmale, aber lebendige Rue Clignancourt vorbei, drinnen sitzen die Mitarbeiter an fünf Arbeitsplätzen. Vor Kurzem wurde das Büro modernisiert, und es zogen jede Menge Kisten, Kästen und Boxen ein. „Die neue Gestaltung der Räume sollte den innovativen und dynamischen Charakter der Agentur durch einen lässigen und zeitgemäßen Raum nach außen tragen“, beschreiben die federführenden Architekten des französischen Büros H2O ihren Ansatz.
Komposition der Volumen
Lediglich 65 Quadratmeter standen zur Verfügung, auf denen ein Konferenzbereich, fünf Schreibtische, Stauraum und Gemeinschaftseinrichtungen, Möbel, Ausstellungsflächen und Präsentationsbereiche untergebracht werden sollten. Große Anforderungen an wenig Fläche. Das Büro selber bestand bis dahin aus einem einzigen Raum, der sich mit einer bodentiefen Fensterfront klar zu einer Seite orientiert. Dadurch ist es bei Hypernuit zwar hell, die Ausrichtung des Mobiliars quer zur Lichtquelle allerdings war vorprogrammiert. Das Interieur ist aufgrund der doch eher statischen Voraussetzung von Raum, Fläche und Licht deshalb umso flexibler geworden. Es ist fast ausschließlich aus maßgefertigten, weißen Containern konstruiert, die mal offen, mal geschlossen sind. Mit ihnen lässt sich über die Tische kommunizieren, sie erlauben aber auch die temporäre Einrichtung eines privaten Areals.
Individualisierung am Platz
Je nach aktuellem Projekt können die Mitarbeiter sich also räumlich mit dem Team vernetzen oder sich aber zur autonomen Arbeit zurückziehen. Dabei verfügt jeder einzelne über eine Garnitur an Kästen, mit der der Schreibtisch gestaltet werden kann. Unansehnliche Technik wie Computer, Server und Drucker können darin versteckt werden, Bücher und Accessoires stehen für den schnellen Zugriff in offenen Fächern. Schon kurze Zeit nach der Eröffnung des Büros war dieser Individualisierungsprozess vollzogen, erzählt einer der Architekten. Als er Hypernuit besuchte, um dort eine Ausstellung zu eröffnen, fand er die Wände voller Skizzen und die Fächer voller Bücher und Kataloge.
Ton in Ton
Um den Raum nicht zu überfrachten, sind die Module alle aus weiß furniertem, materialstarken Holz gefertigt und mit lichtgrauen Fronten verkleidet. Damit stellen sie den Bezug zum polierten Betonboden her und verknüpfen sich mit den weißen Wänden. Trotz aller Funktionalität und Modularität wirkt der Raum unbespielt geradezu ätherisch, erst die Gebrauchsgegenstände sorgen für lebhafte Elemente. An den Wänden sind graue Paneele in verschiedenen Größen montiert. Hier können aktuelle Entwürfe angepinnt und wieder entfernt werden, ohne Rückstände zu hinterlassen. Dass die modulare Bauweise allerdings nicht nur in der Nutzung, sondern auch schon in der Konzeptions- und Bauphase von Vorteil sein kann, zeigte sich beim Aufbau. Alle 81 Elemente wurden über drei Monate hinweg in einer Schreinerei vorgefertigt und dann reibungslos an vier Tagen vor Ort aufgestellt. Ein Konzept, das sich von nun an bei Bedarf immer wieder wiederholen lässt. Sollte die Grafikagentur eines Tages umziehen – ihr an Tetris erinnerndes Interieur wird sich in nahezu jede Umgebung einschmiegen.
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FOTOGRAFIE Julien Attard
Julien Attard